Mit Senseo (Eigenschreibweise SENSE⓪) bringt das kalifornische Startup Gobi eine neuartige Brille auf den Markt, die mithilfe künstlicher Intelligenz den Alltag unauffällig begleiten soll. Die Entwickler sprechen von „Ambient AI“ – ein Konzept, das Automatisierung ohne Displays oder Sprachbefehle verspricht.
Die Vision ist ehrgeizig: Statt Sprachassistenten wie Alexa oder smarten Displays im Raum will das US-Startup Gobi künstliche Intelligenz in eine schlichte Brille bringen – ohne Bildschirm, ohne Kamera-Streaming, aber mit aufmerksamem Ohr und Sinn für Kontext. Die Brille mit dem Name Senseo soll erkennen, wann Nutzerinnen und Nutzer einen Gedanken notieren wollen, wann sie sich bewegen, fokussieren oder reflektieren – und entsprechende Unterstützung anbieten.

Zwischen Wearable und digitalem Co-Piloten
Senseo ist äußerlich kaum von einer gewöhnlichen Designerbrille zu unterscheiden. Das Design basiert auf Acetatrahmen, die mit optischen oder getönten Gläsern bestückt werden können – unter anderem mit Transitions®-Gläsern, die sich der Umgebungshelligkeit anpassen. Im Inneren aber steckt Technologie: Mikrofone, Bewegungssensoren und ein kleiner KI-Chip, der alle gesammelten Daten direkt auf der Brille verarbeitet. Ziel: Die Brille soll im Alltag automatisch „mitdenken“, indem sie Muster erkennt – etwa, wenn jemand häufig unterbrochen wird, sich nicht bewegt oder wiederholt an dasselbe denkt.
Laut Hersteller handelt es sich um eine Form der „Ambient Intelligence“, also eine unaufdringliche Assistenz, die Informationen aus der Umgebung nutzt, ohne aktiv bedient zu werden. Das System reagiert nicht auf Sprachbefehle oder Tastendruck, sondern auf Verhaltensmuster, Geräuschkulissen oder Bewegungsdaten. Vorschläge erscheinen nicht auf einem Display, sondern werden über das Smartphone angezeigt oder akustisch vermittelt.
Kein AR, keine Kamera, kein Bildschirm
Bemerkenswert ist, was Senseo nicht bietet: keine Kamera, kein Display, keine Verbindung zur Cloud (zumindest laut Produktbeschreibung). Das Konzept grenzt sich bewusst von Augmented-Reality-Brillen wie der Meta Quest Pro oder Ray-Ban Meta Glasses ab. Statt visueller Reizüberflutung geht es Gobi um Ruhe, Achtsamkeit und „digitale Entlastung“. Alle Datenanalysen erfolgen lokal auf dem Gerät – was nicht nur aus Datenschutzsicht, sondern auch aus Nachhaltigkeits- und Energieperspektive interessant ist.

Anwendung und Zielgruppe
Die Brille ist als täglicher Begleiter gedacht – nicht für Sport oder Navigation, sondern für Fokussierung, Reflektion und persönliche Organisation. In ersten Präsentationen war etwa zu sehen, wie die Brille Stimmungswechsel erkennt oder Nutzer unauffällig zu Pausen oder Notizen anregt. Zielgruppe sind laut Gobi vor allem produktivitätsorientierte Berufstätige, Tech-affine Kreative sowie Personen mit Interesse an achtsamkeitsbasierter Selbstoptimierung. Ein Beispiel wird die automatische Protokollierung von Meetings aufgeführt. Ist die Brille während eines Meetings aktiv protokolliert das Gerät das Gesprochene und mittels KI wird ein Sitzungsprotokoll erstellt. Nach verlassen des Meetingraumes erhalten die Sitzungsteilnehmen sofort per Mail ihr Protokoll.
Gobi plant verschiedene Preismodelle: Die sogenannte „Community Edition“ liegt bei rund 149 US-Dollar, die spätere Vollversion bei ca. 349 US-Dollar, hinzu kommt ein monatliches Abo (derzeit ca. 19 US-Dollar), das laufende Software-Updates und KI-Funktionen freischaltet.
Datenschutz und Skepsis
Laut Hersteller bleiben alle sensiblen Daten auf dem Gerät – also weder Cloud-Übertragung noch zentralisierte Nutzerprofile. Dennoch bleibt die Frage: Wie transparent lässt sich nachvollziehen, was genau gemessen, analysiert und gespeichert wird? In Fachkreisen wird „Ambient AI“ sowohl als Fortschritt in puncto Benutzerfreundlichkeit als auch als potenziell intransparente Technik diskutiert. Denn der Anspruch, Nutzerbedürfnisse zu „antizipieren“, setzt eine Form von Interpretation voraus – mit entsprechendem Risiko für Fehlentscheidungen oder Übergriffigkeit.